Der Geist in der Flasche

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Ravensburg, heute.

Lieber Leser, liebe Leserin,

manchmal begegnen mir Menschen, die wie ausgehöhlt wirken. Sie wirken stark, funktional, pflichtbewusst – aber etwas in ihrem Blick zeigt: Da fehlt etwas. Und wenn ich ihnen zuhöre, wird oft schnell klar, worum es geht. Es ist der Teil von ihnen, den sie irgendwann weggeschlossen haben.

Ich nenne ihn den „Geist in der Flasche“.

Dieser Geist steht sinnbildlich für einen Wesenskern in uns, den wir früher einmal gespürt haben – vielleicht als Kind, vielleicht in einer klaren Entscheidung, vielleicht in einer leidenschaftlichen Phase unseres Lebens. Aber irgendwann passte dieser Teil nicht mehr. Er war zu laut, zu empfindlich, zu wild, zu anders. Und so haben wir ihn – meist unbewusst – verschlossen, verdrängt, kontrolliert.

Wir haben gelernt, zu funktionieren. Wir wurden verlässlich, vernünftig, diszipliniert. Wir haben getan, was getan werden musste. Für die Familie. Für die Firma. Für den inneren Frieden. Nur der Geist blieb zurück – eingeschlossen, aber lebendig.

In meiner Arbeit mit Menschen begegne ich diesem verschlossenen Anteil immer wieder. Manchmal äußert er sich als plötzliche Traurigkeit, als unerklärlicher Druck auf der Brust, als das Gefühl, das Leben zu verpassen. Oder als diese stille Frage: „War das schon alles?“

Ich glaube: Dieser Geist meldet sich nicht, um uns zu stören. Er erinnert uns. An das, was wir wirklich sind. An das, was wir einmal wollten. An das, was noch da ist – unter all den Schichten von Verantwortung, Funktionalität und Erwartungen.

Die Frage ist: Bist du bereit, den Korken zu ziehen?

Nicht mit Gewalt. Nicht aus Rebellion. Sondern aus einem ehrlichen Wunsch heraus, dich selbst wieder zu spüren. Wieder mit dir in Kontakt zu kommen. Wieder zu leben – nicht nur zu funktionieren.

Wenn du beim Lesen spürst, dass etwas in dir mitgeht, dann nimm dir heute ein paar Minuten. Frag dich in aller Ruhe: Welcher Teil von mir ist schon lange eingesperrt? Was habe ich damals unterdrückt, um dazuzugehören, um geliebt zu werden, um erfolgreich zu wirken?

Und dann frag dich: Bin ich heute bereit, diesen Teil wieder in mein Leben zu lassen?

Wenn du dabei Begleitung suchst – einen stillen, klaren Raum, in dem du dich sicher fühlen kannst – dann bin ich gerne da. In einem Gespräch. In einer Aufstellung. Oder ganz einfach als Mensch, der dir zuhört.

Denn manchmal beginnt Veränderung nicht mit einem lauten Aufbruch. Sondern mit einem stillen Einverständnis.

Ich wünsche dir den Mut, den Korken zu lösen – und dir selbst wieder zu begegnen.

Herzliche Grüße
dein
Jürgen Anton Schmid

 

 

Mach dich nicht kleiner, nur weil andere dein Licht nicht halten können.
Wahre Nähe beginnt, wenn du aufhörst, dich zu verbiegen.